Mittwoch, 20. Dezember 2017

Mikas Weihnachtsbäckerei

...ein kleiner Ausblick wie Mika und Jaron's Zukunft aussehen könnte. 


Jaron hatte gerade den Schlüssel ins Schloss geschoben, als die Haustür von innen geöffnet wurde. Wobei „geöffnet“ eigentlich das falsche Wort war - „aufgerissen“ traf es eher.
Es war immer noch ungewohnt einen richtigen Haustürschlüssel zu besitzen. Mika stand vor ihm und sah angepisst aus. Kurz fragte sich Jaron, ob er extra an der Haustür gewartet und gelauscht hatte, damit er diesen dramatischen Auftritt hinlegen konnte.
Im Hintergrund lief Rammstein und es duftete nach Zimt und anderen weihnachtlichen Gewürzen.
„Backen ist scheiße“, war Mikas Begrüßung. „Ich hab keine Ahnung, was Steffi daran findet...“
„Ich freue mich auch dich zu sehen.“ Jaron versuchte ein ernstes Gesicht zu wahren, doch Mika hatte es irgendwie geschafft sich mit Mehl und Schokoladenpulver zuzusauen und sah auf süße Art und Weise ziemlich lächerlich aus. Sein Gesichtsausdruck machte die Sache nicht gerade besser. Er beugte sich zu Jaron hinab und gab ihm einen Kuss, dann legte er ihm eine Hand in den Rücken und zog ihn in ihre kleine Zwei-Zimmer-Wohnung.

„Ich hab doch gesagt du sollst warten bis ich zuhause bin“, nuschelte Jaron zwischen den Küssen. Er wusste nicht, ob er jemals darüber hinwegkommen würde, wie Sätze wie dieser klangen. Zuhause. Zuhause zuhause zuhause.
Mika hatte ihn anfangs damit aufgezogen. „Kann es sein, dass du eine Art Nestbautrieb hast?“, hatte er sagt und gelacht, als Jaron die dritte Wolldecke aus dem Secondhandladen mitgebracht hatte.
„Ich baue kein Nest“, hatte Jaron sich gewehrt und die Decke ins Badezimmer zur Wäsche gelegt. „Ich will nur, dass unser Zuhause gemütlich ist.“
Und das war es - klein aber fein. Steffi hatte ihnen geholfen die Wohnung zu finden und einzurichten. Sie hatten nicht viel Geld, doch mit etwas finanzieller Unterstützung, während Mika sein Abi machte, und dem, was Jaron in seiner Ausbildung verdiente, kamen sie einigermaßen über die Runden. Es war immer noch tausend mal mehr, als Jaron zu hoffen gewagt hatte. Er war es gewohnt mit fast nichts klarzukommen und es machte ihm Spaß die Planung für sie zu übernehmen - auch wenn Mika ab und zu aus der Reihe tanzte. So wie gestern, als er mit einem kleinen Tannenbaum um die Ecke gekommen war.
„Wir hätten einen Plastikbaum kaufen können, den könnten wir jedes Jahr wieder nehmen“, hatte Jaron gesagt, doch Mika hatte ihn nur mit einem empörten Blick gestraft und das kleine Bäumchen neben ihrem Sofa aufgestellt. Vielleicht waren sie in Wahrheit beide dabei ein Nest zu bauen.

Mika hielt Jaron sanft gegen die Haustür gedrückt und schien ihn in nächster Zeit nicht von dort fort lassen zu wollen.
„Kann ich mich wenigstens ausziehen?“, fragte Jaron amüsiert, während Mika versuchte trotz des Schals mit seinen Lippen an Jarons Hals zu kommen.
„Ja, zieh dich aus“, murmelte er gegen Jarons Haut und machte sich am Schal zu schaffen.
„Du bist ganz kalt, ich glaube du musst ins Bett.“
Jetzt lachte Jaron endgültig los. „Netter Versuch… was hast du gebacken? Es riecht gut.“
Mika ließ von ihm ab und schnaubte. „Ja, es riecht gut, das war’s dann aber auch schon. Der Scheiß will nicht vom Blech abgehen.“
Jaron nahm Mika den Schal aus der Hand und hängte ihn und seine Jacke auf. Dann schob er sich an Mika vorbei in die kleine Küche, aus der es so verführerisch duftete.
„Ach… du scheiße. Was hast du denn gemacht?“
Jaron betrachtete das Chaos, das Mika veranstaltet hatte. Es war mehr Mehl auf dem Boden, als auf der Arbeitsplatte und überall standen Zutaten und Schüsseln herum. Es sah aus, als hätte Mika versucht für eine Armee zu backen.
„Na ich habe gebacken.“ Mika verschränkte die Arme vor der Brust und lehnte mit trotzigem Blick im Türrahmen. „Für dich, um genau zu sein, diese Plätzchen die du bei Steffi immer so magst. Ich wollte dich überraschen, aber weißt du was? Ich überrasche dich nie mehr, weil das keinen Spaß macht. Erst hat mir Steffi am Telefon ne halbe Stunde ein Ohr abgekaut, um mir zu erklären was ich machen soll und dann kommt da so ein Mist bei raus.“
Er löste sich aus dem Türrahmen und deutete auf das Backblech, auf dem braune Klumpen lagen, die tatsächlich nicht sonderlich appetitlich und etwas angebrannt aussahen. Dann schlang Mika von hinten seine Arme um Jaron und schob seine Hände unter dessen Pullover. Eine Kribbeln breitete sich auf Jarons Haut aus.
„Du bist immer noch so kalt, schnell ab ins Bett“, flüsterte Mika in sein Ohr und zog Jaron rückwärts aus der Küche in Richtung des Schlafzimmers.

Ein empörtes Miauen erklang, als sie die Tür öffneten.
„Ich hab mich schon gefragt, was mit ihm passiert ist“, sagte Jaron, als ihr kleiner Kater Nepomuk wie ein geölter Blitz aus dem Schlafzimmer hinaus in den Flur schoss.
„Er hat versucht mich beim Backen zu sabotieren, da musste ich ihn kurzzeitig aus dem Weg schaffen.“
„Vielleicht wollte er dir helfen?“ Jaron lachte, als er Mikas Gesichtsausdruck sah. „Hey, viel mehr hätte doch nicht schlief laufen können…“
„Okay, das reicht, du bist ganz schön undankbar.“ Mit einer geübten Bewegung hob Mika Jaron hoch und schmiss ihn aufs Bett, wo er einmal auf und ab hüpfte, bevor Mika sich auf ihn warf. Eine Weile rollten sie lachend in den Decken herum, bevor ihre Küsse langsamer und sinnlicher wurden. Jaron entwich ein Keuchen, als Mika sein Bein zwischen Jarons Oberschenkel schob.
„Ich glaube, das hier gefällt mir am Besten am alleine wohnen.“  Mika ließ seine Hand über Jarons Bauch gleiten, bevor er sich am Knopf seiner Jeans zu schaffen zu machen.
„Wäre ich im Leben nicht drauf gekommen.“ Jaron klang so atemlos, wie er sich fühlte. „Ich dachte dir gefällt am besten, dass du endlich ungestört backen kannst.“
Mit einem frustrierten Stöhnen vergrub Mika sein Gesicht in Jarons Nacken und er lachte.
„Können wir das nicht einfach vergessen?“
In dem Moment ließ sie ein ohrenbetäubendes Scheppern aus der Küche zusammenzucken.
Sie sahen sich an.
„Ich glaube nicht, dass wir das vergessen können“, antwortete Jaron.

Hastig rappelten sie sich auf und eilten in die Küche. Das Backblech lag auf dem Boden und durch den Aufprall hatten sich tatsächlich ein paar der Klumpen gelöst. Vor einem von ihnen saß Nepomuk und knabberte genüsslich, wenn auch etwas angestrengt, daran herum.
„Na ja, immerhin schmeckts einem…“
Mika sah aus, als wüsste er nicht, ob er lachen oder weinen sollte. Jaron nahm ihm die Entscheidung ab. Er drehte sich herum, lehnte seine Stirn gegen Mikas mit Mehl beschmierten Pullover und lachte lauthals los.
„Manchmal mag ich dich kein bisschen“, murrte Mika, während er seine Arme um ihn legte und ihn an sich drückte.
„Ich mag dich aber“, gluckste Jaron. Dann stellte er sich auf die Zehenspitzen und gab Mika einen versöhnlichen Kuss. „Sehr sogar.“

Samstag, 9. Dezember 2017

Das Schlafhaus

Es hätte Malek nicht wundern sollen, dass sie reingelassen wurden - Exy bekam schließlich immer was er wollte.
Die Sozialarbeiterin, die auf ihr Klingeln hin hinaus an das Tor des Schlafhauses gekommen war, hatte nach einem kurzen Schlagabtausch mit Exy schnell gemerkt, dass sie entweder hier draußen erfrieren würde, während Exy sie in Grund und Boden laberte, oder dass sie das Tor öffnen musste.
„Jungs, es tut mir wirklich leid, wir sind bei diesem Wetter total überlaufen. Wir haben nur noch ein Einzelbett frei und das auch nur, weil wir jemanden rausschmeißen mussten, der Alkohol hineingeschmuggelt hat. Ich kann euch nicht beide reinlassen.“ 

Im Glauben, dass das hier schnell geklärt sein würde, war sie nur in einem dicken Wollcardigan hinausgekommen, den sie sich jetzt fester um den Körper schlang. Es war kalt geworden, scheiße kalt um genau zu sein. Das bisschen Schnee, das der Wind im Licht der Laterne um sie peitschte, war gefroren und stach auf der Haut. Es war kein Abend, keine Nacht, die man draußen verbrachte, wenn man eine andere Wahl hatte. Scheiße war nur, dass ihnen vielleicht keine andere Wahl blieb.
„Gucken Sie uns mal an, wir sind ganz schlank, wir passen zusammen in das Bett“, sagte Exy.
Malek warf ihm einen Blick zu. Das Letzte was er wollte war, mit ihm in einem Bett zu schlafen. Okay, nicht ganz. Das Letzte was wer wollte war, heute Nacht keinen Schlafplatz zu haben, doch sich ein Bett mit Exy zu teilen kam direkt danach.
Wenn Exy etwas haben wollte, hatte er kein Problem damit das Blaue vom Himmel zu lügen. Bevor Malek wusste wie ihm geschah, hatte sich Exys Hand mit seinen steifen kalten Fingern verschränkt. Exy lehnte sich gegen ihn und hielt ihre Hände wie zum Beweis in die Höhe.
„Bitte, trennen Sie uns nicht. Ich weiß, er würde mir den Vortritt lassen, aber ich kann hier nicht bleiben, wenn ich weiß, dass mein Schatz auf der Straße ist. Wir machen keinen Ärger, versprochen. Wir wollen nur eine Nacht nicht frieren.“
Exy rückte noch näher an ihn und Malek musste sich zusammenreißen ihn nicht von sich zu stoßen. Unwillkürlich drückte er Exys Hand fester, doch dieser schien die Warnung falsch zu verstehen. Er warf Malek ein kurzes Lächeln zu und drückte zurück. Die Frau sah von Exy zu ihm. Sie seufzte. Scheinbar hatte auch sie das, was von Maleks Seite ein „Treibs nicht zu weit“ gewesen war, als liebevolle Geste missverstanden.
„Habt ihr wirklich niemanden bei dem ihr sonst bleiben könntet? Freunde? Bekannte?“
Exy schüttelte den Kopf. „Wir haben nur uns.“
Trotz seines Unbehagens musste Malek ein Glucksen unterdrücken. Exy konnte so scheiße dramatisch sein, es war unglaublich. Er hatte noch nie jemanden kennengelernt, der so viel Quatsch reden konnte, ohne auch nur mit der Wimper zu zucken.
Die Frau presste ihre Lippen aufeinander. Eine Windböhe kam auf und Malek spürte, dass Exy zitterte. Er war ihm viel zu nah.
„Lasst mich das nicht bereuen“, sagte die Sozialarbeiterin schließlich.
Aus der Tasche ihres Cardigans holte sie ein schweres Schlüsselbund hervor, das wenige Augenblicke später das Metalltor öffnete. Exy drehte sich zu ihm um und schenkte ihm ein triumphierendes Grinsen, dann zog er Malek durch den Spalt des Tores.

Malek schluckte. Die Frau hatte nicht übertrieben - das Bett war wirklich klein. Natürlich war es das, denn eigentlich sollte ja nur eine Person darin schlafen. Sofort merkte er, wie die Panik in ihm aufstieg. Exy schien etwas zu spüren, denn er warf ihm einen Seitenblick zu.
„Na das wird kuschelig“, sagte er.
„Du kannst das Bett haben“, erwiderte Malek.
Exy schnaubte. „Ja klar, und wo pennst du?“
„Auf dem Boden, vielleicht haben sie noch extra Decken.“
„Willst du mich verarschen? Nimm du das Bett, du siehst aus als hättest du seit Ewigkeiten nicht mehr richtig geschlafen.“
Malek stieß mit seiner Schulter gegen Exys. „Ich lass dich nicht für mich auf dem Boden schlafen.“
„Tja“, sagte Exy und trat in den Raum. Er drehte sich zu Malek und hob die Augenbrauen. „Dann müssen wir das irgendwie anders hinbekommen.“
Es war ein kleines Zimmer, in dem außer zwei sich gegenüberliegenden Betten, einem Schrank und einem Tisch mit zwei Stühlen nichts weiter stand. Vor dem linken Bett lag ein Rucksack und eine Jacke. Wer auch immer sich mit ihnen das Zimmer teilte, schien unten im Gemeinschaftsraum zu sein, aus dem der Duft von Milchreis zu ihnen hochwehte.
„Und wenn wir üben?“
Malek riss seinen Blick von den Sachen los und folgte Exy in den Raum. „Was meinst du damit? Was üben?“
„Ich weiß, dass du nicht gerne nah bei irgendwem liegst, geschweige denn schläfst, aber… lass es uns üben.“ Exy wies auf das Bett. „Leg dich hin.“
„Exy…“, begann Malek zu widersprechen, doch er schnitt ihm das Wort ab.
„Hey, nur zwei Minuten. Lass es uns wenigstens probieren. Es ist noch keiner hier, also… lass uns einfach hinlegen und reden. Und wenn es dir zu viel wird, schubst du mich einfach aus dem Bett.“
Der Gedanke ließ Maleks Mundwinkel zucken. Exy warf ihm einen vielsagenden Blick zu.
„Ich wusste, dass dir das gefallen würde. Vielleicht darfst du das morgen früh machen, als Belohnung dafür, dass du es eine Nacht mit mir ausgehalten hast.“
Malek seufzte. „Du weißt, dass das nicht wegen dir ist.“
Exy warf ihm einen kurzen Blick zu, bevor er begann seine Lederjacke auszuziehen.„Ich weiß“, sagte er. „Ich kenn das von Jaron. Na ja so ähnlich zumindest. Manchmal kann er es auch nicht leiden andere bei sich zu spüren. Ich… keine Ahnung, ich will dich zu nichts zwingen, das du nicht willst, aber zwei Minuten?“
„Na gut, okay.“ Malek trat zögerlich an das Bett heran. „Du zuerst, ich schlaf nicht an der Wand.“
Exy hinterfragte es nicht. Stattdessen zog er seine Schuhe aus und schmiss sie zu seinem Rucksack und der Jacke in die Ecke. Dann rückte zur Wand und streckte sich aus. Er stützte seinen Kopf auf den Ellenbogen. „Leg dich auf den Rücken.“
Zögerlich griff Malek zum Reißverschluss seiner Jacke. In Momenten wie diesen wurde ihm wieder bewusst, wie sehr er im Arsch war. Das war nur Exy. Und trotzdem spielte sein Herzschlag verrrückt.
Er legte sich auf die Matratze und hatte direkt das Gefühl, dass sich ein Gewicht auf seine Brust legte. So war es immer, wenn er so nah bei anderen lag, als würde ihre Anwesenheit ihn ersticken. Er fühlte sich hilfloser, wenn er lag und er hasste es.
„Heb deinen Arm“, wies Exy ihn leise an und Malek gehorchte ohne groß darüber nachzudenken.
„Ich bins nur, okay? Alles gut.“ Langsam rückte Exy zu ihm, legte sich in seinen Arm und breitete seine Handfläche auf Maleks Bauch aus. Maleks ganzer Körper versteifte sich, jeder Muskel war angespannt.
„Versuch dich zu entspannen.“
„Was machst du da?“, keuchte Malek. Er hasste es, dass da Panik in seiner Stimme mitschwang. Exy hatte recht. Es war nur er. Exy war okay.
Exy schluckte. „Meine Mutter hat das früher immer getan, wenn es mir nicht gut ging oder ich Bauchweh hatte“, sagte er, während er mit seinem Zeigefinger auf Maleks Pullover sanfte Kreise um seinen Bauchnabel zog.
„Exy…“
„Hey, keine Sorge. Ich versuch nicht mich an dich ranzumachen, ich versuch nur eine Nacht in einem Bett mit dir zu überstehen. Glaub mir, wenn ich dich anmachen würde, würde ich dir nicht den Bauch kraulen. Ich versteh was anderes unter Vorspiel.“
Malek gab einen atemlosen Lacher von sich. „Hatte ich schon mal erwähnt, dass du `ne totale Mutti bist?“
„Halt’s Maul und entspann dich“, nuschelte Exy. „Du weißt, dass du mir vertrauen kannst.“
Malek schnaubte. „Kann ich das?“
Exy hob den Kopf und warf ihm einen Blick zu.
„Schon gut, Blondie. Ja… ich weiß“, sagte Malek. „Es ist nur… ich weiß auch nicht.“
„Ich weiß… eine Minute ist sicher schon rum. Du hast es gleich geschafft.“
Das Ding war, dass das, was Exy da mit seinem Finger tat tatsächlich etwas von der Übelkeit nahm. Es war merkwürdig jemanden so nah bei sich zu haben, aber immerhin wusste er, wenn er die Augen schloss, dass es Exy war. Er hatte diesen Duft. Malek wusste nicht, ob es sein Shampoo war oder von seinen gefärbten Haaren kam. Vielleicht war es auch einfach wie Exy halt roch, sein persönlicher Duft. Es half ein wenig, wenn auch nicht ganz. Er schlief nicht ohne Grund immer abseits von ihm und Jaron. Malek atmete tief ein. Exy war kein Fremder, der irgendetwas von ihm erwartete, was er eigentlich nicht tun wollte. Das hier war nichts, bei dem es um Geld oder Druck oder Erwartungen ging. Das war einfach nur er und ein Freund, die versuchten irgendwie durch die Nacht zu kommen. Exy wollte ihm nur helfen. Es war ungewohnt, diese Art von Aufmerksamkeit von ihm zu bekommen, eigentlich war Exy nur Jaron gegenüber so. Er schluckte schwer.
Exys Hand wanderte von seinem Bauch aufwärts. Er drehte das kleine Silberkreuz, das auf Maleks Pullover lag, zwischen seinen Fingern.
„Wieso trägst du das?“, flüsterte er. „Glaubst du da wirklich dran?“
„Du nicht?“, fragte Malek.
Exy gab ein Grunzen von sich und Malek bereute es gefragt zu haben. Er hatte schon früh mitbekommen, dass Religion in seiner rumänischen Familie eine andere Rolle gespielt hatte als bei den meisten Deutschen.
„Ja, ich glaub da wirklich dran“, gab Malek schließlich zurück.
Exy spielte weiter mit dem Kreuz herum. „Obwohl dir so viel Scheiße passiert ist und wir so leben wie wir leben? Gott scheint ein ganz schönes Arschloch zu sein.“
Malek zuckte zusammen. „Exy, sag sowas nicht!“
„Ich glaub kaum, dass der mich hört.“
„Und wenn doch?“
„Dann findet er mich hoffentlich genau so unterhaltsam wie der Rest der Welt.“
Malek schnaubte. „Du bist unglaublich.“
„Nein, ungläubig“, korrigierte Exy und lachte leise. „Aber unglaublich auch, das stimmt.“
Manchmal hatte Malek keine Ahnung was er mit Exy anfangen sollte. In solchen Momenten war er meist froh, dass Jaron bei ihnen war, doch jetzt war das nicht der Fall. Jetzt war Jaron bei Mika und Malek lag hier, mit einem gottlosen Halbdänen im Arm, der ihn zur Verzweiflung brachte.
„Vielleicht hab ich es ja verdient“, murmelte Malek. „Vielleicht ist das die Strafe dafür, dass ich meinen Eltern jahrelang jeden Tag das Leben zur Hölle gemacht habe.“
„Was? Die Strafe dafür ist, dass du mit mir im Bett liegst? Ich glaub ich hör nicht richtig.“ Exy versuchte empört zu klingen, doch es gelang ihm nicht.
„Nimmst du mich eigentlich irgendwie ernst?“, sagte Malek mit einem Seufzen.
„Nein, aber ich hör dir gerne zu“, gab Exy mit amüsierter Stimme zurück.
Malek schwieg. Manchmal wusste er nicht, wann Exy ihn verarschen wollte und wann er etwas ernst meinte.
„Erzähl weiter“, sagte Exy nach einer Weile.
„Was soll ich dir denn noch erzählen?“
„Was passiert, wenn die Strafe vorbei ist?“
Malek grunzte. „Dann bin ich dich endlich los.“
Zu seiner Überraschung blieb Exy in seinen Armen still. Es kam noch nicht mal ein sarkastischer Kommentar oder ein Schnauben.
„Hey“, sagte Malek, und hob seine Schulter an, auf der Exys Kopf lag. „Das war ein Witz, okay?“
„Hm“, gab Exy zurück. „Scheint als würden alle nur drauf warten mich irgendwann wieder loszuwerden.“
Malek schluckte. Woran auch immer Exy gerade dachte, es war etwas, das er weder mit Jaron, noch mit ihm geteilt hatte. Nicht zum ersten Mal fragte Malek sich, was mit Exys Familie war und wieso er nie über sie sprach.
Seine Gedanken überschlugen sich, als er darüber nachdachte, was Jaron in solchen Situationen tat. Vorsichtig drückte er Exy etwas näher an sich.
„Dich will keiner loswerden, du Idiot.“
Endlich gab Exy ein leises Lachen von sich. „Du bist so scheiße im Trösten.“
„Dann hör auf traurig zu sein“, gab Malek zurück.
Exys Lachen wurde lauter. „Ja, genau, so läuft das mit dem Traurigsein.“
„Na ja du lachst doch, also bin ich scheinbar doch nicht so schlecht.“ Malek lächelte, als Exy ihm einen leichten Knuff verpasste.
Eine Weile schwiegen sie und Malek schloss die Augen, während er wieder Exys Finger spürte, der sachte seine Kreise zog.
„Malek?“
„Hm?“
„Du hast dich entspannt.“ Er hörte das triumphierende Lächeln in Exys Stimme.
Malek öffnete die Augen. „Ich…“, begann er und stockte. Exy hatte recht. Normalerweise hasste er es, wenn Exy recht hatte.
„Wir kriegen die Nacht hin“, sagte Exy. Da lag diese Überzeugung in seiner Stimme, die keine Widerrede duldete.
„Glaubst du?“, flüsterte Malek.
„Hmm“, summte Exy. „Du glaubst doch so gerne, glaub zur Abwechselung mal an dich. Und weißt du, was ich glaube?“
„Was?“
„Dass uns die anderen Arschlöcher da unten keinen Milchreis übrig lassen. Los, schwing deinen Knackarsch aus dem Bett, genug gekuschelt.“
Malek lachte, als Exy versuchte ihn von der Matratze zu schieben.